Hannes Wader – ein rebellischer Liedermacher wird 80

Folkfestival Lenzburg (Schweiz): der deutsche Liedermacher Hannes Wader
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Es muss so um 1974 gewesen sein, als ich Hannes Wader im Berliner Quartier Latin – dem damals angesagten Veranstaltungsort für Konzerte (Rock, Jazz, Liedermacher usw.) – erlebte. Vorher hatte ich im Radio den Liedermacher bei S-F-Beat gehört und ihn positiver als meinen bis dahin favorisierten Bänkelsänger Reinhard Mey eingestuft. Übrigens: Eintrittskarten waren damals erschwinglicher als heute, als armer Student konnte ich mir dieses Konzert für meine Freundin und mich (noch) leisten.

Alles handgemacht

Für mich als angehenden Meistergitarristen (Selbsteinschätzung 😉 ) war es natürlich der Hammer, dass alles ohne Playback und großartige Technik aufgeführt wurde. Hannes Wader wurde an diesem Abend von Werner Lämmerhirt, der leider schon 2016 zu früh verstorben ist, begleitet.

Wader und Lämmerhirt sind auf der Gitarre Meister des Fingerpicking. Diese Technik hatte ich schon vor dem Konzert lange geübt, indem ich Lieder von Reinhard Mey und anderen damals bekannten Liedermachern nachgespielt hatte; ich habe geübt, dass mir die Finger weh taten.

Was Wader und Lämmerhirt auf der Bühne an dem Abend darboten, schlug dem Fass den Boden aus. Die Fingersätze der linken Hand auf dem Gitarrenhals konnte ich noch halbwegs nachvollziehen, was die Finger der linken Hände der beiden Musiker mit den Saiten machten ließ mich vor Ehrfurcht erstaunen. In meiner gitarristischen Selbsteinschätzung stufte ich mich nun deutlich herab. Zwar versuchte ich, diese Spieltechnik nachzuahmen – nahm auch etliche Wader-Songs in mein eigenes Repertoire auf (mit denen ich auch vor Publikum auftrat), errichte aber nicht im Geringsten diese Perfektion.

Die „Du, weißt du“-Generation

Die Texte der Songs, die wir an diesem Abend hörten, waren frech und unangepasst. Sie passten damit genau in den Trend der damaligen rebellischen 68er-Generation, die – beeinflusst von Neill und seiner Summerhill-Erziehung – ein repressionsfreies Leben propagierten und auch einforderten. In vielen Gruppendiskussionen nahm man immer besondere Rücksicht auf seine Gesprächspartner und zeigte seine Empathie wie ein Riesenbanner. Häufigste Redewendung, die ich damals in pädagogischen Gesprächen wahrgenommen habe: „Du, weißt du… Ich finde dein Verhalten jetzt nicht gut!“

Ganz so „Müsli-pädagogisch“ waren Waders Texte nicht – im Gegenteil -, er teilte meist recht hart aus, konnte aber auch sehr ironisch sein. Besonders angetan hatte es mir das Stück „Mein Schwein Monika“, weil es ein sogenannter „Talking Blues“ war – ein gesprochener Text zu einer unterlegten Gitarrenbegleitung -, allerdings nicht vergleichbar mit dem späteren Rap.

Jedenfalls lernte ich an diesem Abend eine ganze Menge über die Darbietung von sozialkritischen Songs, denn auch die Moderation von Wader war ausgesprochen unterhaltsam und nicht oberflächlich. Sogar bei meinen Versuchen als Straßensänger auf der Portobello Road in London wurde ich für meine Darbietung einiger Lieder aus dem Waderschen Repertoir von deutschen Touristen nicht gesteinigt.

Wader politisch

Na, klar. Wader war damals politisch. Eindeutig links orientiert. Er geriet in Verdacht, mit der RAF kooperiert zu haben. 1977 trat er der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) bei. In diesem Moment begann bei mir die Bewunderung für den Künstler zu bröckeln.

Volkssänger

Später gab es eine Zeit, wo sich Wader als Volkssänger bezeichnete. Hier findet man auf seinen veröffentlichten Schallplatten, CDs und anderen Medien Songs, die von der Arbeiterklasse gesungen wurden (z. B. „Moorsoldaten“, „Wilde Schwäne“ usw.). Zu diesem Zeitpunkt ging mein Interesse an Waders Werken gegen Null, weil ich keinen Zusammenhang zwischen seiner ursprünglichen gesellschaftspolitischen Einstellung und seinem künstlerischem Wirken sehen konnte. Ich habe nicht verstanden, wie ein bekennder Sozialist ohne schlechtes Gewissen eine Mühle kaufen und renovieren konnte. Über gleichzeitige Spenden an gemeinnützige Projekte hat man nichts gehört. Seine politische Meinung hat er (vielleicht in Altersweisheit) in Teilen revidiert, ist aber immer sozialistisch geblieben – sagt man.

Conclusion

Trotz meiner Kritik an Hannes Wader in politischen Dingen ziehe ich meinen Hut vor seiner künstlerischen Lebensleistung. Sein Werk ist ein wichtiger Beitrag zum musikalischen Erbe Deutschlands und er hat eine ganze Generation von Künstlern aus dem Genre Chanson/Kleinkunst geprägt.

Ich kann ihm – für mich – auch dafür danken, dass ich Vieles in Sachen Gitarrenspiel, Songwriting, Auftreten usw. gelernt habe.


Beitragsbild: Hannes Wader, deutscher Sänger und Songwriter im April 2015 im Parktheater Göggingen in Augsburg. This file is licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International license.

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