Didier Lockwood: Monsieur 100.000 Volt

Großes Rätselraten

Eine Jazz-Sendung im Sender Freies Berlin zu Beginn der 80er Jahre, deren Titel ich schon längst vergessen habe, begann immer mit einem tollen Trailer auf dem als melodieführendes Instrument eine Geige zu hören war. Die Musik groovte richtig, die Besetzung der Band bestand außer aus der Geige aus Bass, Schlagzeug, Keyboards und einer Gitarre. Lange musste ich rätseln, von wem die Musik gespielt wurde bis eines Tages der Moderator Hans-Rainer Lange („Pfeifen-Lange“) des Rätsels Lösung präsentierte: Didier Lockwood mit Band.

Bald hatte ich auch herausgefunden, welche Schallplatten es von Didier Lockwood gab, und mit dem Aufkommen der CD als Tonträger kaufte ich mir die vorherigen Vinyl-Ausgaben auch auf den neuen, handlichen Scheiben.

Immer unter Hochspannung

Der Titel „Monsieur 100.000 Volt“ war eigentlich schon lange an einen anderen französischen Künstler vergeben: dem Chansonnier Gilbert Becaud. Wer aber Didier Lockwood bei seinen Auftritten beobachtete, musste feststellen, dass dieser Mann ständig unter Hochspannung zu stehen schien.

In diesem Video sehen wir Didier Lockwood mit Band auf dem Festival des Puces à Saint Ouen (einem Stadtteil im Zentrum von Paris). Mit ihm spielen hier Paco Sery (Drums), Linley Marthe (Bass) und Jean Marie Ecay (Gitarre).

Lockwoods Stärke war die Improvisation, zahlreiche Liveaufnahmen (bei Youtube zu finden) zeugen davon. Weil er sich augenscheinlich sehr gut in ein Ensemble integrieren konnte, war er auch oft Gast bei Live-Events und/oder Tourneen anderer berühmter Musiker. Und immer gab er auf der Bühne das Letzte… Deswegen ist es auch nicht so verwunderlich, warum er ausgerechnet an einem Herzinfarkt im Alter von 62 Jahren am 19. Februar 2018 verstorben ist.

Lebenswerk

Betrachtet man, was Lockwood Zeit seines Lebens alles geschaffen hat, könnte man ihn fast als hyperaktiv bezeichnen. Er war auch ein Musikalisches Supertalent: als Sohn eines Musikprofessors interessierte er sich schon in jungen Jahren für moderne Musik und spielte schon mit 17 Jahren bei der progressiven Rockgruppe Magma die Violine. Die große Nähe zu moderner Musik wird auch in seinen Veröffentlichungen Ende der 70er bis in die 80er Jahre deutlich: seine Musik, die er unter anderem mit der Didier Lockwood Group (DLG) spielt, ist Rock-Jazz-Fusion. Hier ist mit zum ersten Mal auch aufgefallen, dass man im Jazz auch gut einen Slap-Bass einsetzen kann. Bei DLG spielen mit: Jean-Michel Kajdan (Bass, Gitarre), sein Bruder Francis Lockwood (Tasteninstrumente), Kirt. Rust (Schlagzeug) und Bob Malach (Saxofon).

Interessant auch seine Zusammenarbeit mit der kanadischen Jazz-Rock-Band UZEB. Mit ihnen trat er auch auf und es gibt auch einen Live-Mitschnitt eines Konzerts von 1984 mit Alain Caron (Bass), Michel Cuisson (Gitarre und Gitarrensynthesizer), Jean St-Jacques (Tasteninstrumente) und Paul Brochu (Schlagzeug).

Insgesamt hat Didier Lockwood mehr als 30 Alben veröffentlicht und ist ca, 4500 mal öffentlich aufgetreten.

Nach seiner Jazz-Rock-Fusion Phase begann Mitte der 90er Jahre eine Rückbesinnung auf den traditionellen Jazz. Er bezog sich in seinen  Kompositionen mehr auf seinen Mentor – den französischen Jazzgeiger – Stephane Grapelli und spielte recht puristische Alben ein.

In Erinnerung bleibt auch sein Engagement für die musikalische Förderung von Kindern (Chansons pour les enfants, Wiederauflage der Platte von 1985), sein Anspruch als Komponist mit zwei Opern, Geigenkonzerten und Filmmusiken.

Die Liste der berühmten Jazzmusiker, mit denen er zusammen gespielt hat, ist sehr lang und zeigt, dass er einer der Größten in diesem Umfeld war.  Merkwürdig, dass sich dies nie in entsprechender Weise in der Öffentlichkeit verfestigt hat.

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